Seit fünf Monaten werden alle Feuerwehr- und Rettungsdiensteinsätze im Kreis in der neuen Regionalleitstelle disponiert. Das System habe sich bewährt, sagen die Betreiber. Aber es gibt auch Kritik.

Annaberg-Buchholz/Chemnitz.Rund 300 Notrufe und Alarmierungen erreichen täglich die Regionalleitstelle Chemnitz. Etwa 35 davon kommen aus dem Erzgebirgskreis. Verkehrsunfall mit Schwerverletzten an der Heinzebank. Werkstatt- und Wohnhausbrand in Buchholz. Windbruch in Johanngeorgenstadt. Unter Wasser stehende Keller in Olbernhau. InAue hat sich ein Mann bei einem Arbeitsunfall ins Bein gesägt. Seit fünf Monaten gehen alle Notrufe aus dem Erzgebirge in der Schadestraße im Chemnitzer Stadtzentrum ein.

Die Integrierte Regionalleitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst (IRLS) hat dort seit März 2017 ihren Sitz. Seitdem werden von dort die Feuerwehr-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzeinheiten sowie der Krankentransport der Stadt Chemnitz und des Bereichs Stollberg disponiert. Im März dieses Jahres kamen die bis dahin in der Leitstelle Annaberg-Buchholz eingegangenen Alarmierungen und Notrufe hinzu, im Mai war mit Aue-Schwarzenberg der letzte Posten aus dem Erzgebirge aufgeschaltet worden.

An 18 Arbeitsplätzen nehmen im Schichtdienst 59 Disponenten rund um die Uhr Notrufe entgegen, setzen Feuerwehren, Rettungswagen, Notärzte und Katastrophenschutzhelfer in Marsch. Seit der Inbetriebnahme im Frühjahr sei das rund 170.000 Mal der Fall gewesen. Etwa 19.000 Alarmierungen kamen aus dem Erzgebirge. Damit gehe es im Kreis „eher ruhiger“ zu, sagt Tommy van Doorn, Pressesprecher der Stadt Chemnitz. Die meisten Notrufe stammten aus dem Regionalbereich Chemnitz.

Das Team der IRLS setze sich aus Personal der „Alt-Leitstellen“ Chemnitz für den Bereich der Stadt Chemnitz und Stollberg, Grimma für den Bereich DöbelnZwickau für den Bereich Aue-Schwarzenberg und Annaberg für den Bereich Annaberg und Marienberg zusammen, erläutert van Doorn. Die Disponenten seien parallel zur Arbeit in den Alt-Leitstellen am neuen Einsatzleitsystem und Notruf-Abfrage-System der IRLS Chemnitz ausgebildet worden. Die Dispatcher verfügen über Technik, mit der sie zum Beispiel den Standort des Anrufers orten können. Mittels GPS kann das nächstgelegene Einsatzfahrzeug gesucht und zum Einsatzort geschickt werden.

„Heimatkunde- und Geografieunterricht“ stehe trotzdem auf dem Stundenplan. „Die Mitarbeiter, die bislang nicht in den neuen Regionalbereichen Einsätze disponierten, wurden von den jeweiligen Landratsämtern und Rettungsdienstträgern zu den regionalen Besonderheiten geschult“, so der Pressesprecher weiter.

Laut van Doorn können an allen Leitstellenarbeitsplätzen in der IRLS die Einsätze der Feuerwehr und des Rettungsdienstes im Leitstellenbereich Chemnitz-Erzgebirge-Mittelsachsen gleichermaßen disponiert werden. Für die tägliche Zusammenarbeit mit den Einsatzleitern der Feuerwehr beziehungsweise dem Rettungsdienst im Einsatz vor Ort sind zudem primäre Ansprechpartner an zuvor bestimmten Leitstellenarbeitsplätzen benannt.

Die Zusammenlegung der Leitstellen habe sich bewährt, ziehen die Chemnitzer eine positive Bilanz. Es gebe Synergien durch die Alarmierung und Disposition von Feuerwehren und Rettungsdiensten über alte Zuständigkeitsbereiche hinweg – mit kleineren Anlaufschwierigkeiten, die für ein Projekt dieser Größenordnung nicht ungewöhnlich seien. So habe es in der Einführungsphase zwar teilweise Fehlalarmierungen gegeben. „Diese konnten mit geplanten Optimierungen des Systems abgestellt werden“, so van Doorn.

Für Gunnar Ullmann, den Vorsitzenden des Kreisfeuerwehrverbandes Erzgebirge, ist die Optimierung hingegen noch nicht abgeschlossen. Seiner Meinung nach sei die Regionalleitstelle in Chemnitz zum Beispiel nicht auf Großschadenslagen vorbereitet. Es gebe nur eine begrenzte Anzahl von Leitungen. „Was ist, wenn bei einem regionalen Unwetter alle Leitungen belegt sind und der Notruf nicht angenommen werden kann?“, so Ullmann. „Oder was ist, wenn die Computertechnik mal ausfällt?“ Nacharbeit sei auch beim Alarm- und Ausrückplan notwendig. Es gebe auf alle Fälle noch Klärungs- und Abstimmungsbedarf.

Dieser Meinung sind auch die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Crottendorf. Sie fordern eine Überarbeitung der Brandklassen. Bei einem Feueralarm der Klasse 2 etwa, der sowohl Haus- als auch Flächenbrände umfasst, müsse stets ihr Drehleiterfahrzeug mit ausrücken. Da nicht alle Wehren im Umkreis damit ausgerüstet seien, würden sie auch bei Bränden in Nachbargemeinden alarmiert. Nicht selten umsonst, da die Drehleiter beim Löschen einer Wiese ja nicht gebraucht werde. Das sei nicht nur ärgerlich, sondern treibe auch die Kosten in die Höhe.


Für einen Bereich von rund 4100 Quadratkilometern und eine Million Einwohner zuständig

Die Integrierte Regionalleitstelle Chemnitz ist eine von fünf neuen Leitstellen in Sachsen. Seit März 2017 werden von dort die Feuerwehr-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzeinheiten der Stadt Chemnitz und des Bereichs Stollberg disponiert. Im August 2017 beziehungsweise im April und Mai dieses Jahres wurden die Leitstellen Grimma, Annaberg sowie der Bereich Aue-Schwarzenberg integriert. Freiberg soll noch folgen.

Nach Abschluss der Zusammenführung wird die IRLS für das gesamte Gebiet der Stadt Chemnitz, des Erzgebirgskreises und den Landkreis Mittelsachsen zuständig sein – für einen Bereich von rund 4100 Quadratkilometern und eine Million Einwohner.

Alle Alarmierungen und Notrufe für Feuerwehr und Rettungsdienst (Ruf 112) gehen bei der IRLS Chemnitz ein, ebenso Anforderungen zu Krankentransporten (0371 19222). In die Gesamtkosten für den Bau der IRLS von 17,8 Millionen Euro teilen sich die Stadt Chemnitz und die beiden Landkreise, der Rettungszweckverband, der Freistaat und die Krankenkassen.